Interview mit Geldtrainerin Nicole Rupp, im Juli 2010
(die Fragen stellte Anke Dembowski)

Liebe Nicole, Du hast am 18. Juni 2010 bei uns in Wasserburg einen sehr schönen Impulsvortrag zum Thema „Wer spart verliert“ gehalten. Ich denke, dass der Titel - gerade hier im Schwabenland - zunächst stutzig macht. Aber Du hast das in Deinem Vortrag hervorragend erklärt und hast die Zuhörer ihre persönliche Beziehung zu Geld reflektieren lassen. Ich bin froh, dass Du mit dem Vorurteil aufgeräumt hast, Geld verderbe den Charakter, sondern dass es viel mehr darauf ankommt, was jeder selbst mit Geld anfängt.

Anstatt Deinen Vortrag im Nachhinein wiederzugeben, würde ich gern in einem Interview mit Dir die wichtigsten Fragen aufgreifen. So können auch diejenigen, die an dem Abend nicht kommen konnten, das Thema Geld für sich persönlich reflektieren.

 

Nicole, warum ist das Thema Geld ein Beziehungs-Thema?


Weil Geld nur in Verbindung mit anderen Menschen seinen Wert erfüllt. Durch Geld sind wir mit Menschen in Beziehung. Geld ohne Beziehung gibt es nicht. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit einer Million auf eine ganz einsame Insel. Sie werden feststellen: Wenn es niemanden gibt, mit dem Sie Ihr Geld tauschen können, dann ist Geld wertlos.

Insofern ist jedes „Geldproblem“ ein Beziehungsproblem. Geld als solches verursacht keine Schwierigkeiten in unserem Leben. Diese entstehen immer nur durch die Menschen, die mit dem Geld in Verbindung stehen.

Das, wofür wir unser Geld gerne geben, zeigt ja auch, was uns wichtig ist. Wofür wir gerne bereit sind Geld zu zahlen oder eben nicht. Und das bietet Reibungsfläche – sowohl in partnerschaftlichen, wie auch in geschäftlichen Beziehungen. Wie letztendlich auch in der Politik. Es geht um die Verteilung des Geldes und der damit verbundenen Macht.

Geld als solches ist neutral. Ob wir es in Rüstung investieren oder in Bildung, liegt in uns. Geld ist das, was wir daraus machen. Und es kann nur so viel Gutes bewirken, wie wir selbst zu bewirken vermögen.

 

Viele Menschen haben durch ihre Erziehung gelernt, dass Geld zwar wichtig ist, aber auch ein schwieriges Thema, das nicht selten Kopfzerbrechen und Sorgen bereitet. Wie kann man seine persönliche Beziehung zu Geld ändern, und warum sollte man das überhaupt tun?


Ob Sie trotz großen finanziellen Vermögens einen Mangel an Erfüllung und Lebensfreude empfinden, oder wenig Geld besitzen und finanziellen Mangel erleiden – beides ist Ausdruck des eigenen Mangelbewusstseins. Nun, wie wertvoll ist es, dies durch eine bessere Geldbeziehung so zu ändern, dass sich uns eine tiefere Erfüllung und gesunder Wohlstand offenbart und wir mit Dankbarkeit genießen? Mangeldenken ist die Wurzel für Neid, Geiz, Gier, Unzufriedenheit…. ungesunden Umgang mit Geld.

Es lohnt sich also die eigenen Gedanken, Vorurteile und Glaubenssätze bewusst zu machen, zu hinterfragen und aufzulösen. Auch ist es wertvoll sich dazu mit anderen Menschen auszutauschen und das zu tun, was uns einer dieser falschen Glaubenssätze verbietet: über Geld zu sprechen. Viele Missverständnisse entstehen, weil wir zu wenig über Geld sprechen und sich in Problemsituationen erst zeigt, dass unterschiedliche Wertesysteme aufeinander prallen, die einer Verständigung bedürfen.

Wichtig ist vor allem auch die emotionale Ebene mit Geld aufzuräumen. Wenn uns Geld unangenehm berührt, Stress hervorruft und so weiter, dann ist dies kontraproduktiv – für die eigene Gesundheit wie auch für die finanzielle Gesundheit.

 

Es gibt Menschen, die glauben, Geld verderbe den Charakter. Tut es das aus Deiner Sicht?


Am Geld zeigt sich der Charakter eines Menschen!

Wie wir Geld einsetzen und was wir damit tun, liegt in uns. Geld kann sich weder wehren, wenn wir es missbräuchlich einsetzen, noch kann es von alleine großzügig sein. Es ist an uns zu lernen Geld gerne, statt widerwillig zu geben, in der Klarheit unserer Werte, statt von Preisen verführt, für genau das, was wir für sinnvoll erachten und wachsen sehen wollen in unserem Leben.

 

Was kann jeder einzelne von uns bewirken durch seinen Umgang mit Geld? Beispielsweise wenn wir Geld ausgeben?


Geld ist wie ein Stimmzettel, denn mit jeder Geldausgabe treffen wir eine Wahl. Ein „Ja“ für einen Anbieter ist immer auch ein „Ja“ zu dem dahinterstehenden Konzept. Wenn wir nur Produkte aus den Billigmärkten nachfragen, tragen wir unter anderem dazu bei, dass immer mehr Menschen nur gering entlohnt werden und immer mehr Menschen in Zukunft keine Arbeit mehr haben werden. Denn in Zeiten, in denen Produkte schon billig sind, gibt es vor allem eine zuverlässige Möglichkeit, weitere Kosten zu sparen: der Faktor „Mensch“. Unsere menschliche Arbeitsleistung ist teuer und teurer als in vielen anderen Ländern dieser Welt. Vor allem ist sie zunehmend zu teuer, um unseren eigenen Ansprüchen nach billigen Produkten noch standhalten zu können. Wir selbst tragen dazu bei, uns und wertvolle Arbeitsleistungen wegzurationalisieren.

Geiz ist gesellschaftsfähig geworden und billig einkaufen Kult. Während wir den Einzelhändler unseres Vertrauens in direkter Umgebung vernachlässigen, erfreuen sich nur noch die wenigen großen Discountketten eines immer größeren finanziellen Überflusses. Wir bringen dadurch prall gefüllte Konten weniger Empfänger zum Überquellen, während der breiten Masse an Menschen dadurch dieses Geld immer mehr vorenthalten wird.

Wir sollten uns also gut überlegen wozu wir „Ja“ sagen mit dem eigenen Stimmzettel Geld, stets im Sinne unserer eigenen Werte handeln, uns nicht von Preisangeboten spontan verführen lassen. Lieber auch mal ganz nein sagen und wieder mit Freude auf etwas hin sparen, was uns wirklich wichtig ist – und die Vorfreude darauf genießen.

Das setzt auch voraus, dass wir Klarheit darüber haben, was uns wirklich wichtig ist im eigenen Leben. Wir sollten lernen unsere Wertschätzung in Form von Geld gerne dem nächsten Menschen zu geben, regionale Geldkreisläufe, Menschen und Geschäfte in nächster Nähe zu unterstützen und über „faire Preise“ nachzudenken. Was ist uns menschliche Leistung wert?

Vor allem dürfen wir unseren Neid über Bord werfen, wenn wir Menschen wirklich unterstützen wollen. Und schon lange selbst danach sehnen, dass andere nicht nur Trost spenden, für uns da sind, wenn es uns schlecht geht, sondern sich aus tiefstem Herzen auch dann mit uns freuen, wenn wir noch erfolgreicher sind.

 

Uns wird aber doch immer wieder eingeredet, Geiz sei geil. Und die Regierung verabschiedet auch gerade ein Sparpaket. Ist Sparen nicht auch eine Notwendigkeit, geradezu eine deutsche Tugend?


Ist Geiz geil? Was sehen Sie vor sich, wenn Sie an einen wirklich geizigen Menschen denken? Geiz ist der gelebte Ausdruck eines mangelnden Selbstwertgefühls – wir gestehen uns selbst nichts zu. Und anderen eben auch nicht.

Ein achtsamer Umgang mit Geld ist nicht nur sinnvoll, sondern dringend notwendig. Und natürlich muss man Geld ansparen, um es sinnvoll zu investieren. Aus einem einzelnen Euro kann wie aus einem einzelnen Samen noch nicht viel erwachsen. Wenn man mehrere Samen sammelt und dann einpflanzt, dann erst wird man später umso mehr ernten können….

Sinnvolles Ansparen dürfen wir uns bewahren bzw. mit Freude praktizieren. Und uns auf die daraus möglichen sinnvollen Investitionen freuen. Unseren von Ängsten getriebenen Einsparwahn gilt es jedoch auf den Prüfstein zu stellen.

Sparen verhilft oft nur kurzfristig und nur scheinbar zu finanziellem Wachstum. Stabiles nachhaltiges Wachstum bleibt auf der Strecke. Ein weiterer Effekt: solange wir in unserem Kopf mit „Einsparen“ beschäftigt sind, ist diese Zeit und Chance verloren, um produktive Gedanken weiterzuentwickeln, die uns MEHR ermöglichen und uns zielgerichtet diesem MEHR näher bringen.

Und mit dem Sparpaket der Regierung? Ob dieses auf klarem Wertefundament basiert und zielführend Mehrwert hervorbringt, ist …. wünschenswert.

 

Wie erklärst Du die hohe Privatverschuldung, die wir beobachten können?


Die steigende Konsumquotenverschuldung ist aus meiner Sicht ebenso Ausdruck eines unachtsamen Umgangs mit Geld, indem wir uns verführen lassen uns Dinge zu leisten, die wir uns nicht leisten können. Viele Menschen tun dies sogar in dem Glauben zu sparen: mehr kaufen, als sie jetzt gerade brauchen, weil es billig ist; Dinge zu kaufen, die sie überhaupt nicht brauchen, die jedoch verführerisch günstig sind; Dinge kaufen, die in kürzester Zeit ihren kompletten Wert verlieren, weil sie billig und eben nicht wertbeständig oder im Wert steigend sind, wie dies bei viele Markenartikel immer noch der Fall wäre.

 

Was kann denn jeder einzelne tun, dass mehr Geld und Glück in sein Leben fließt?


An aller erster Stelle: Sich täglich in Wertschätzung üben! Sich selbst und anderen gegenüber.

Schon in der Schule werden wir „fehlerorientiert“ erzogen und so fällt es uns auch im täglichen Leben leichter die 2% Fehler zu sehen und uns darüber zu ärgern. Anstatt uns der 98% bewusst zu sein, die schon gut sind in unserem Leben – und diese zu genießen.

Wenn wir uns selbst mehr wertschätzen, uns unseres Wertes bewusst sind und diesen entsprechend vertreten bzw. uns gut „verkaufen“, werden wir zufriedener und verdienen mehr Geld. Mit mehr Wertschätzung kaufen wir bewusst nur die Dinge, die unser Leben auch nachhaltig bereichern. Indem wir unser Geld mit mehr Wertschätzung anderen Menschen übergeben, schenken wir auch anderen das Gefühl wertvoll und geschätzt zu sein.

Wenn ich jetzt mehr Geld und Glück in meinem Leben lasse, was ist Dein Rat, was man damit macht?


Darauf achten, dass man stets den eigenen Überzeugungen, dem eigenen Herzen folgt. Und dankbar genießt.

 

Vielen Dank Nicole, für diese interessanten Gedanken zu unserer Beziehung zu Geld!